Natürlich ist diese Bewegung nicht neu, ich höre seit Jahren immer wieder von ihr. Ehrlich gesagt, habe ich mich aber nie sonderlich dafür interessiert, weil mir das Ganze immer etwas schwammig und nicht greifbar erschien. Slow Food schreibt sich die Begriffe «Gut, sauber und fair» auf die Fahne, was eigentlich sehr schön tönt. Mich hat aber immer irritiert, dass um diese Begriffe umzusetzen, von den Mitgliedern keine Labels wie Bio oder Fairtrade gefordert werden. Also hatte ich keinen Grund, diese Bewegung zu verfolgen und ihre Events zu besuchen.
Vor einigen Wochen bekam ich aber von Biosuisse Tickets für den Slow Food Market in Zürich geschenkt und nahm dies zum Anlass, ein wenig über Slow Food zu recherchieren und den Event zu besuchen.
Wer oder was ist «Slow Food»?
Slow Food ist eine internationale Bewegung mit weltweit gegen 100’000 Mitgliedern, verstreut auf allen fünf Kontinenten. Gegründet wurde sie von Carlo Petrini in Italien. Als Schweizerin möchte ich hier jedoch vor allem auf Slow Food Schweiz eingehen. Auf ihrer Webseite steht unter der Rubrik «Philosophie» folgendes:
Gut, sauber und fair
Slow Food fordert, dass unsere Lebensmittel geschmacklich und gesundheitlich einwandfrei sind. Und dass sie auf saubere Art hergestellt werden – also ohne Schaden an Natur und Tier anzurichten. Ausserdem müssen Lebensmittelerzeuger eine faire Entlöhnung für ihre Produkte und ihre Arbeit erhalten.
Unsere Mission
Slow Food tritt für die biologische Vielfalt ein, fördert eine nachhaltige, umweltfreundliche Lebensmittelproduktion, betreibt Geschmacksbildung und bringt Erzeuger von Qualitätslebensmitteln auf Veranstaltungen und durch Initiativen mit Konsumenten zusammen.
Ich habe mir die wichtigsten Begriffe gemerkt und mich auf den Weg nach Zürich gemacht.
Widersprüche über Widersprüche
Die Veranstaltung hatte typischen Messecharakter und war sehr übersichtlich und gut organisiert. Gleich beim Eingang gab es einen Informationscorner wo organisatorische Fragen aller Art beantwortet wurden. Es gab auch einen Kinderhort und einen grosszügigen Gastronomiebereich. Zudem waren die Wege zwischen den Ständen recht breit und es entstand auch am gut besuchten Freitagabend kein grosses Gedränge.
Was mich aber vom ersten Moment an regelrecht geschockt hat: Der Grossteil des Angebotes bestand aus tierischen Produkten wie Fleisch, Fisch und Käse sowie aus ungesunden «Genussmitteln» wie Alkoholika, Kaffee und Zuckerkram.
Sofort kam mir der Satz «Slow Food fordert, dass unsere Lebensmittel geschmacklich und gesundheitlich einwandfrei sind. Und dass sie auf saubere Art hergestellt werden – also ohne Schaden an Natur und Tier anzurichten.» wieder in den Sinn. Viele der tierischen Produkte waren weder biozertifiziert noch mit einem anderen Label ausgezeichnet, das eine vertretbare Tierhaltung vorschreibt. Grundsätzlich ist sowieso jedes tierische Produkt mit Tierleid behaftet, denn auch die Labelkriterien gehen – zumindest für mich – zu wenig weit. Mit Sicherheit ist aber praktisch jedes konventionell hergestellte tierische Produkt mit inakzeptabler Tierhaltung verbunden, zudem werden Antibiotika und andere Medikamente eingesetzt. Wie also können diese, am Slow Food Market angebotenen Tierprodukte, die Aussage «hergestellt ohne Schaden an Natur und Tier anzurichten» erfüllen? Und wie kann das ganze Fleisch – im Speziellen die Würste – das Prädikat «gesundheitlich einwandfrei» erfüllen, wo es die WHO offiziell als gesundheitsgefährdend eingestuft hat? Wie können die ganzen angebotenen Alkoholika dieses Prädikat erfüllen, wo sie doch klar als Suchtmittel eingestuft sind?
Hochwertige Label-Produkte und einwandfreie Anbieter
Neben diesen ganzen fragwürdigen Produkten gab es aber auch ein kleines aber sehr erfreuliches Angebot an hochwertigsten Bio- und Fairtradeprodukten von Anbietern die die Schlagworte der Slow Food Bewegung mehr als erfüllen. Einen ganz wunderbaren Stand hatte die Biosuisse. Dieser quoll förmlich über von alten, speziellen Gemüsesorten welche die praktizierte Erhaltung der Artenvielfalt darstellten. Weiter habe ich am Stand eines Biobauern aus der Kleinbauernvereinigung die besten – in Handarbeit eingemachten – Essiggurken meines Lebens gekauft. Und die Kräuter und Gewürze in Demeterqualität des Ekkharthofs überzeugen mich immer wieder von neuem, wenn ich sie irgendwo antreffe.
Speziell hervorheben möchte ich die göttlichen rohköstlichen – und natürlich industriezuckerfreien – Schokokreationen der Naturkostbar und auch das interessante Angebot der noch jungen Firma Bunaroba. Diese bietet ein breites Sortiment an sehr hochwertigen Superfoods, grösstenteils in Rohkostqualität. Von Kokos- über Hanf- zu Chiaprodukten und Superfoods wie Maca, Açai usw. gab es am Stand alles und meine vielen Fragen wurden sehr kompetent und sympathisch beantwortet. Ich habe noch weitere Anbieter angetroffen, die mich mit ihren Produkten und ihren Aussagen überzeugt haben, die ich aber nicht alle einzeln erwähnen kann. Der Artikel würde zu lang.
Fazit
Der Besuch des Slow Food Markets war für mich unterm Strich ein Wechselbad der Gefühle. Von hochwertigsten Naturprodukten und Superfoods bis zu Produkten die bei mir unter dem etwas brutalen Begriff «Abfallessen» katalogisiert werden, war schlicht alles zu finden. Ich war also nach dem Messebesuch gleichweit wie davor: Ich kann die Slow Food Bewegung nicht erfassen und nicht verstehen. Sie ist – nach meiner Einschätzung – voller Widersprüche und die propagierten Kriterien werden von einigen Mitgliedern mehr als erfüllt, von anderen mit Füssen getreten. Da aber keinerlei Labelvorgaben und wohl auch keine Kontrollen bestehen und offenbar alles auf freiwilligem Idealismus basiert, gibt es für mich keinen Grund, diese Bewegung weiter zu verfolgen oder sogar zu unterstützen. Ich finde, es braucht sie schlicht nicht.
Einmal mehr gilt, dass die Konsumentinnen und Konsumenten für sich selber festlegen müssen, was sie ihrem Körper und ihrer Gesundheit zumuten und auf welche Labels sie sich verlassen. In meinem Fall heisst dies, möglichst immer regionale, saisonale, unverarbeitete, biozertifizierte, rein pflanzliche Grundnahrungsmittel einzukaufen und zu geniessen. Dazu vor allem im Winter, wenn in unseren Breiten keine Wildkräuter zu finden sind und keine Beeren Saison haben, einige ausgewählte, hochwertige Superfoods in Bio- und Rohkostqualität.