«Darf der Mensch Tiere nutzen?» ist für mich eine sehr schwierige Frage, denn es stellt sich sofort die zweite Frage, wo das Nutzen von Tieren – was eher negativ behaftet ist – beginnt. Ist jede Art von Tierhaltung und Beziehung zu Tieren ein Nutzen? Oder gibt es eine Art Partnerschaft zwischen Tieren und Menschen? Wenn ja, wo hört diese auf und wird zu einem Nutzen oder gar zum Ausnutzen? Pflanzen zu nutzen erachte ich dagegen als völlig normal. Wovon sollten wir uns ernähren, wenn wir keine Pflanzen nutzen dürften?
Ist der Mensch ein Tier?
Billo Heinzpeter Studer – der Herausgeber des Buches «Tiere nutzen? Und Pflanzen?» schreibt dazu in der Einleitung:
Ist der Mensch ein Tier? Und wenn ja: Warum soll er nicht tun dürfen wie andere Raubtiere? Worin denn unterscheidet sich der Mensch von Tieren, dass wir uns die Frage stellen, ob und wie wir Tiere nutzen sollen? Gibt es eine sanfte Art des Nutzens, einen fairen Deal? Ist individuelles moralisches Verhalten zwingend auch ethisch gültig? Wie lässt sich eine Ethik des menschlichen Umgangs mit anderem Leben überhaupt begründen und entwickeln? Und inwiefern wäre es dabei wichtig, die ethische Haltung nicht nur gegenüber bestimmten Tieren zu prüfen, sondern gegenüber allen Tieren, ja: auch allen Pflanzen?
Im Buch nehmen zu solchen Fragen 39 Autoren Stellung – aus den verschiedensten Blickwinkeln. Die Autorenmischung ist breit, die Texte entsprechend kontrovers. So kommt der Bauernverbandspräsident genauso zu Wort wie ein veganer Philosoph, eine vegetarische Hühnerhalterin oder ein Amtstierarzt.
Der Lebensmittelingenieur und Fachjournalist Peter Jossi beleuchtet die Frage aus religiöser Sicht, denn jede Religion kennt Essens- und Fastenrituale und thematisiert das Zusammenleben von Mensch und Tier. Der Zürcher Ethologe und Tierschützer Bernhard Trachsel nimmt zwar an, dass sich die Nutzung von Tieren zu einer Eigenart des Menschen entwickelt habe, fordert aber, dass Tiere nicht instrumentalisiert werden dürfen. Die Autorin Doris Brunner plädiert für bewusstes Wahrnehmen von Tieren, damit der Unterschied zwischen Tierwohl und Menschenwohl schwindet. Und der langjährige Schweizer Vegan-Aktivist Renato Pichler stellt nicht den Verzicht auf die Nutzung von Tieren in den Vordergrund, sondern die Partnerschaftlichkeit im Verhältnis zwischen Mensch und Tier, bei der die Bedürfnisse beider Seiten gleichermassen berücksichtigt werden. Insgesamt 39 verschiedene Ansichten und Meinungen.
Ein Werk das polarisiert
Billo Heinzpeter Studer hat ein Buch geschaffen, das polarisiert. Ein Buch, das einige Leser zu mehr Toleranz gegenüber Andersdenkenden motivieren wird, andere aber auch zu mehr Intoleranz. Mich persönlich stürzt das Buch in ein Wechselbad der Gefühle. Einige Kapitel beziehungsweise Autoren regen mich an, meinen eigenen Standpunkt zu überdenken. Andere lassen mich in gewisser Weise ratlos zurück, weil ich sie weder befürworten noch total ablehnen kann und natürlich gibt es auch die, die mir aus der Seele sprechen. Bei wieder anderen, würde ich das Buch am liebsten wütend in die Ecke schleudern. Es ist vielschichtig, beantwortet Fragen, wirft aber genauso viele auf. «Tiere nutzen? Und Pflanzen?» ist ein Buch wie es unsere Gesellschaft braucht. Es lässt niemanden kalt und bringt jede und jeden dazu, das eigene Verhalten zu hinterfragen und bewusst Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung gegenüber den Tieren, aber auch im Verhalten gegenüber anders denkenden und anders lebenden Menschen.
Tiere nutzen? Und Pflanzen?
Verlag: edition mutuelle
ISBN 978-3-9524784-0-0
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