Minimalismus: Auch beim Essen?

Der vielleicht grösste aktuelle Trend – vor allem bei jungen Menschen – ist der Minimalismus. Es gilt als trendy und hip möglichst wenig materiellen Besitz zu haben. Anstatt grosse Lofts, sind heute WG-Zimmer und Tiny-Houses in. Oder man hat gar keinen festen Wohnsitz mehr und reist im Wohnmobil über die Kontinente oder fliegt um die Welt und mietet sich in Airbnb-Wohnungen ein. War vor zwanzig Jahren noch in, wer eine grosse CD-Sammlung und ein gut gefülltes Bücherregal hatte, so wird Musik heute auf den iPod oder aufs Smartphone geladen und selbst Bücher werden durch digitale Kindle-Versionen oder E-Books ersetzt. Minimalismus setzt sich aber auch auf anderen Ebenen durch. So werden Sportarten wie Joggen, Wandern und Schwimmen gewählt, weil sie kaum Equipement benötigen und selbst der Freundeskreis wird regelmässig «ausgemistet». Diese Lebensform ist insofern zu begrüssen, weil sie in vielen Fällen nachhaltig und ressourcensparend ist. Allerdings gibt es auch Formen von Minimalismus, die ökologisch keinen Sinn machen. Denn wer zwar kaum Besitz hat, aber ständig um die Welt fliegt, generiert im Endeffekt mehr CO2-Ausstoss und hat einen schlechteren ökologischen Fussabdruck als Menschen, die zwar eine gut eingerichtete Wohnung haben, einen gefüllten Kleiderschrank und vielleicht auch noch ein paar Sportgeräte, aber grundsätzlich auf umweltverträgliche Materialien, Energieeffizienz usw. achten und mit der Bahn verreisen.

Minimalistisch essen bedeutet weder Fasten noch Verzicht. Nicht nur Rohkost gehört zu dieser Ernährungsform...

Minimalistisch essen bedeutet weder Fasten noch Verzicht. Nicht nur Rohkost gehört zu dieser Ernährungsform…

Minimalismus als moderne Ernährungsform

Ich selber bin auf einer mässigen Minimalismusschiene unterwegs. Ich wohne zwar in einer 1.5-Zimmer-Wohnung und habe dadurch automatisch relativ wenige Besitztümer. Ich mag mich aber nicht von meiner Büchersammlung trennen und habe zwar einen kleinen, aber gut gefüllten Kleiderschrank. Ich mag nicht alle paar Tage waschen müssen und wenn ich länger verreise, fühle ich mich mit einem grossen Koffer, der alles enthält was mir das Leben vereinfacht, wohler, als nur mit Handgepäck. Ich verzichte auch nicht aufs Fliegen, beschränke mich aber auf zwei, drei Flüge pro Jahr.

Was ich sehr vertrete, ist eine weitgehend minimalistische vegane Ernährung mit natürlichen, möglichst wenig verarbeiteten Lebensmitteln. Denn gerade bei der Ernährung bewirkt Minimalismus wirklich viel. Wer sich weitgehend vegan, saisonal und regional verpflegt, betreibt aktiven Tier- und Umweltschutz und tut auch seiner Gesundheit viel Gutes. Denn die tierischen Produkte – allem voran die Fleischproduktion – sind Hauptverursacher des Klimawandels und sind für empathische Menschen auch aus ethischer Sicht nicht mehr vertretbar. Zudem fördern tierische Nahrungsmittel hohen Blutdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und nach aktuellen Erkenntnissen auch Demenz. Denn Transfettsäuren und gesättigte Fettsäuren – die vor allem in tierischen Lebensmitteln stecken – begünstigen Alzheimer und Demenz, während Antioxidantien, Vitamine und ungesättigte Fettsäuren – die vor allem in pflanzlichen Lebensmitteln vorkommen, das Risiko einer Erkrankung senken.

Minimalistisches Essen ist weder Diät noch Verzicht

Es geht nicht darum, möglichst wenig zu essen oder auf Genuss zu verzichten. Sinn der minimalistischen Ernährung ist es, das Tierleid zu verringern, seine eigene Gesundheit zu erhalten oder sogar zu verbessern und ungesunde Ersatzprodukte und unnötige Luxusnahrungsmittel wegzulassen. Das heisst nicht, dass man nur noch saisonale und regionale Produkte roh aus der Hand, als Smoothie oder Salat verspeisen darf, sondern dass man in erster Linie darauf setzt, aber nicht nur. Auch ich mag abends gerne etwas Gekochtes. Und ich möchte auch nicht auf Bananen, Reis und Quinoa aus fernen Ländern verzichten. Aber ich kaufe zwei Drittel (im Winter) bis drei Viertel (im Sommer) saisonal und regional ein und decke mich vor allem von Frühling bis Herbst in der Natur mit kostenlosen Wildpflanzen und Beeren ein. Mein Tiefkühlfach birgt noch immer einen Vorrat an Bärlauch vom Frühling und kürzlich sind viele wilde Brombeeren dazu gekommen, die mich in der kalten Jahreszeit erfreuen werden. Meine gesammelten und saisonal/regional eingekauften Lebensmittel werden mit den mir wichtigen Produkten aus fernen Ländern ergänzt.

...auch Schlemmerplatten können gesund und nachhaltig gestaltet werden.

…auch Schlemmerplatten können saisonal/regional, gesund und nachhaltig gestaltet werden.

Entscheidend dabei ist, bewusst zu wählen. Ich bin eine Befürworterin von Superfoods – auch getrocknet und in Pulverform, nutze diese aber vorwiegend im Winterhalbjahr. Im Sommerhalbjahr wachsen bei uns nährstoffreiche Früchte, Gemüse und Kräuter in Hülle und Fülle. Das heisst: Im Sommer kaufe und sammle ich heimische Power-Beeren – zum Beispiel Heidelbeeren und Brombeeren. Wenn im Winter auch die eingefrorenen Vorräte aufgebraucht sind, ersetze ich sie durch Gojibeeren und Açai-Pulver. Von Frühling bis Herbst gibt es täglich grüne Smoothies und/oder Salate mit Wildpflanzen wie Bärlauch, Vogelmiere, Fingerkraut, Spitzwegerich, Löwenzahn, Gänseblümchen, Rotkleeblüten usw. Im Winter greife ich aber gerne auf Gersten- und Weizengraspulver, Moringa und Spirulina zurück um weiterhin eine grosse Menge Chlorophyl, Vitamine und Mineralstoffe zur Verfügung zu haben. Natürlich supplementiere ich auch Vitamin B12, Vitamin D3 und K2 sowie Mineralstoffe wie Magnesium und Schwefel. Denn die Vitamine B12 und K2 sind in pflanzlicher Nahrung kaum enthalten, D3 ist Mangelware, weil in unseren Breitengraden die Sonne zu selten scheint und meistens auch zu wenig stark. Und was viele nicht wissen: In Nährwerttabellen sind die Mineralstoffgehalte einzelner Lebensmittel viel zu hoch angesetzt. Diese Nährwerttabellen stammen in vielen Fällen aus den Siebzigerjahren. Seither ist aber die Übernutzung der Böden in der westlichen Welt so stark angestiegen, dass die Nahrungsmittel die auf unseren ausgelaugten Äckern wachsen, viel weniger Mineralstoffe enthalten als noch vor vierzig, fünfzig Jahren. Es ist also wichtig, dass man beim Minimalisieren der Ernährung nur die Dinge weglässt, die unnötig und sinnfrei sind und nicht aus Übereifer auf Dinge verzichtet, die einem nachher fehlen.

Unnötige Luxus- und Ersatzproduke

Was jede und jeder weg minimalisieren sollte, sind die übertriebenen Luxusprodukte und in der veganen Szene auch teils groteske Ersatzprodukte. Im Luxusbereich sind heute Gerichte wie Hamburger mit echtem Goldstaub oder Pommes mit Trüffel gang und gäbe. Ich persönlich finde es menschenverachtend, wenn die westliche Welt Gold ins Essen mischt und horrende Summen für seltene Trüffel oder tierquälerisch gewonnenen Kaviar ausgibt, während weltweit Millionen Menschen hungern und keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Wenn Essen nicht mehr dazu dient, körperliche Bedürfnisse zu erfüllen und die Gesundheit zu fördern, sondern zum Statussymbol wird, läuft meines Erachtens etwas falsch.

In die gleiche Richtung gehen für mich auch die teils grotesken Fleischersatzprodukte. Ersatzprodukte sind nicht grundsätzlich schlecht. Auch ich greife für eine vegane Bolognese gerne auf Sojahack zurück, liebe Thaicurrys mit Tofu und trinke Matcha-Shakes mit Pflanzenmilch. Aber wozu braucht jemand vegane Pouletschenkel mit Plastik- oder Bambusknochen? Noch schlimmer finde ich diese «Truthahn-Baukästen» die man inklusive «Bauanleitung» kaufen kann. Diese und ähnliche Produkte sind aus rein ethischer Sicht zwar besser als Tiere zu essen, mit gesunder Ernährung und einer nachhaltigen Lebensweise habe sie aber rein gar nichts zu tun.

Wer sich an natürliche, möglichst unverarbeitete Nahrungsmittel hält und sich die Mahlzeiten wann immer möglich frisch zubereitet, tut sich, den Tieren und der Umwelt gutes und geniesst trotzdem höchsten Genuss. Das ist sinnvoller Minimalismus.

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