Essbare Wildpflanzen: Was und wo sammeln?

Im Frühling und im Frühsommer verwandelt sich die Natur in ein wahres Schlaraffenland an essbarem Grünzeug und bunten – ebenfalls essbaren – Blüten. Schade ist nur, dass die meisten Menschen gar nicht mehr wissen, welche Kräuter und Blumen essbar sind, wie sie schmecken und wie zubereitet sie in welche Gerichte passen. Um sicher nichts Bitteres oder gar Giftiges zu erwischen, halten sie sich lieber an die üblichen Gartenkräuter und an Salate und Gemüse aus dem Supermarkt. Doch die gezüchteten Lebensmittel können bei den Inhaltsstoffen sowie bei der gesundheitsfördernden Wirkung mit den Geschenken der Natur nicht mithalten.

Wertvoller Giersch so weit das Auge reicht – und wegen seiner immensen Ausbreitung leider als Unkraut geächtet.

Wertvoller Giersch so weit das Auge reicht – aber gerade wegen seiner immensen Ausbreitung leider als Unkraut geächtet.

Wahre Nährstoffbomben

Essbare Wildpflanzen sind richtige Nährstoffpakete, die uns mit Vitaminen, Mineralstoffen, Chlorophyl und vielem mehr versorgen. Hierzulande ist der Kopfsalat ein sehr beliebter Salat zu dieser Jahreszeit, darum eignet er sich gut als Vergleichsobjekt zu ein paar Wildpflanzen, die den meisten schon aus der Kindheit bekannt sind. So enthält zum Beispiel Löwenzahn achtmal so viel Vitamin C, fünfmal so viel Eiweiss und doppelt so viel Kalium, Magnesium und Phosphor wie Kopfsalat. Der Giersch oder Geissfuss, der für viele nur ein Unkraut darstellt, ist reich an Kalium, Magnesium, Calcium, Mangan, Zink und Kupfer und enthält gegenüber dem Kopfsalat ein Mehrfaches an Vitamin A, C sowie Eiweiss.

Auch die wohlschmeckenden und sehr dekorativen Goldnesseln und die weissen und gefleckten (lila) Taubnesseln enthalten Kalium, Phosphor, Calcium, Bor, Eisen, Magnesium, Kupfer, Zink und Schwefel, sind also Mineralstoffbomben. Ebenso wertvoll ist die Brennessel, die mit viel Magnesium, Kalium, Eisen Silicium (Kieselsäure), Eiweiss und den Vitaminen A, C und E aufwarten kann. Mir persönlich schmeckt die Brennessel allerdings gar nicht und auch mit ihrem Brennen kann ich mich nicht anfreunden. Das ist aber reine Geschmackssache. Andere Wildpflanzenesser lieben sie. Glücklicherweise ist die Auswahl an Essbarem, die die Natur uns bietet so gross, dass jede und jeder etwas findet, das schmeckt.

Bunte Gold- und Taubnesseln kennt in unseren Breitengraden fast jede und jeder aus der Kindheit.

Bunte Gold- und Taubnesseln kennt in unseren Breitengraden fast jede und jeder aus der Kindheit.

Essbar Wildpflanzen – die Apotheke unserer Ahnen

Zur Zeit unserer Ahnen gab es – vor allem in ländlichen Gegenden – noch nicht an jeder Ecke eine Apotheke oder einen schnell verfügbaren Arzt und man hatte auch keine Autos oder öffentliche Verkehrsmittel um schnell zur Apotheke in der nächsten grösseren Stadt zu fahren. Entsprechend braute jede Familie ihre eigenen Hausmittel wie Kräuterteemischungen, Sirupe, Tinkturen und Salben und Rezepte dafür, wurden von Generation zu Generation weitergegeben. Heute können wir Heilkräutermischungen, Tees usw. bequem fertig kaufen und können uns die aufwändige Herstellung sparen. Aber essbare Wildpflanzen auf einem Spaziergang zu sammeln und sie in grünen Smoothies oder Salaten zu essen oder zu Pestos und Dips zu verarbeiten, braucht keine zusätzliche Zeit, sondern ist normale Essenszubereitung und viele gesundheitsfördernde Wirkungen entfalten die Wildkräuter auch dann, wenn sie einfach gegessen werden. Giersch gilt zum Beispiel als leicht harntreibend, krampflösend, entzündungshemmend und entsäuernd. Entsprechend beeinflusst er viele Zivilisationskrankheiten positiv. Löwenzahn kann als mildes Abführmittel eingesetzt werden, steigert die Gallensekretion und gilt als hilfreich bei Leberbeschwerden, Gicht und Rheuma. Und so hat jede essbare Wildpflanze ihren Wirkungsbereich. Isst man von Frühling bis Herbst täglich gemischte Wildkräuter, kann man eine ganze Bandbreite gesundheitlicher Probleme positiv beeinflussen oder ihnen, wenn sie noch nicht vorhanden sind, vorbeugen.

Wer nur schon ein paar Blüten als Dekoration seinen Mahlzeiten zufügt, hat den Einstieg ins Wildpflanzensammeln bereits gemacht.

Wer nur schon ein paar Blüten als Dekoration seinen Mahlzeiten zufügt, hat den Einstieg ins Wildpflanzensammeln bereits gemacht.

Jede und jeder kennt essbare Wildpflanzen

Die Erfahrung zeigt, dass viele sich nicht ans Wildpflanzensammeln wagen, weil sie glauben, keine einzige einwandfrei bestimmen zu können. Ich wage aber zu behaupten, dass im deutschsprachigen Raum jede und jeder, die oder der als Kind auf Wiesen und in Wäldern gespielt hat und erwachsen ab und zu spazieren oder wandern geht, ein paar essbare Wildpflanzen kennt. Ich denke da vor allem an Wiesenpflanzen wie Löwenzahn, Rotklee oder Spitzwegerich. Auch Brenn- und Taubnesseln dürften jeder und jedem bekannt sein. Und den guten alten Giersch – der einer meiner Lieblinge ist – kennt auch fast jeder. Einige kennen einfach seinen Namen nicht, können ihn aber als ungeliebtes Unkraut einwandfrei bestimmen. Zudem hat der Giersch einen auffälligen dreieckigen Stiel, der sehr gut erkenn- und erspürbar ist. Wer also am Anfang seiner «Wildpflanzenkarriere» mit zwei drei dieser altbekannten Pflanzen beginnt, hat den Start schon geschafft. Bei den meisten kommt nach den ersten Erfolgserlebnissen dann schnell der angeborene Sammelinstinkt zum Vorschein und man möchte mehr über das Wildpflanzensammeln erfahren. Sehr empfehlenswert ist es dann, mit jemandem mit Erfahrung, einen Wildkräuterspaziergang zu machen und sich ein gutes Bestimmungsbuch zuzulegen. Ich empfehle Essbare Wildpflanzen Ausgabe: 200 Arten bestimmen und verwenden. Vorsicht ist aber beim Wildkräutersammeln immer Pflicht. Man sollte nur die Pflanzen pflücken und essen, die man einwandfrei bestimmen kann. Lieber am Anfang nur ein, zwei kinderleichte Sorten wie Löwenzahn oder Brennessel verwenden, statt ein Dutzend Pflanzen, die man nicht zu 100 Prozent kennt zu nehmen, etwas falsches zu erwischen und dann unter Durchfall und/oder Erbrechen zu leiden oder sogar in Lebensgefahr zu geraten. Denn einige Wildpflanzen haben auch ihre Eigenheiten. So ist zum Beispiel das Scharbockskraut vor der Blüte problemlos essbar, während und nach der Blüte aber nicht mehr empfehlenswert. Denn während der Blüte erhöht sich der Protoanemoningehalt und ergibt eine toxische Wirkung die zu Übelkeit, Erbrechen und Durchfall führen kann. Sowieso sollten Menschen, die nicht an Wildpflanzen gewöhnt sind, mit kleinen Mengen beginnen. Denn viele Pflanzen lösen Entgiftungs- und Reinigungsprozesse im Körper aus, die schnell einmal zu stark ausfallen können. Darum zuerst ein paar Tage lang nur zehn Blätter Löwenzahn oder Giersch oder anderes in den Smoothie oder unter Salate mischen. Und wenn das vertragen wird, die Menge langsam erhöhen.

Auf unbewirtschafteten Flächen oder im Wald sammeln

Zwar gibt es in unseren Breitengraden keine unberührte Natur mehr, die durch keine Schadstoffe belastet ist. Saurer Regen fällt überall und Pestizide werden vom Wind weit verbreitet. Doch man sollte die Sammelplätze bevorzugen, die möglichst wenig belastet sind. Am empfehlenswertesten sind unbewirtschaftete Wiesen, die höchstens gemäht, aber nie gedüngt oder sonst wie behandelt werden, unbewirtschaftete Naherholungsgebiete und Wälder. Unbewirtschaftete «magere» Wiesen erkennt man an ihrer Pflanzenvielfalt. Auf bewirtschafteten «fetten» Flächen wachsen meistens vor allem Gräser, Hahnenfuss und Löwenzahn in grossen Mengen.

Wenn du mehr über Wildpflanzen erfahren möchtest, lies auch meine älteren Beiträge zum Thema:
Wagt euch an Wildkräuter!

Wildkräuterliebhaberin Andrea Stadler im Interview

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